Warum Nick Hornby und ich wohl doch nicht seelenverwandt sind

Ich mag Nick Hornby. Natürlich nicht den Menschen; den kenn‘ ich gar nicht. Aber man sagt das ja so. Ich meine seine Bücher, von denen ich ein paar gelesen habe, andere nur als Film kenne. Zu Letzeren zählt High Fidelity, ein Film, den ich hier bestimmt schon mehrfach erwähnt habe. Rob aus High Fidelity ist ganz sicher ein Seelenverwandter von mir. Also muss es sein „Erfinder“ Nick Hornby auch sein, dachte ich bisher. Doch heute habe ich mir 31 Songs von Nick Hornby gekauft.

31 mal erzählt Hornby von seinen Lieblings-Songs – klar, dass ich mir das Buch kaufen muss. Bis jetzt habe ich nur die Einleitung gelesen. Und schon dort ist klar, dass Hornby und ich anders über Musik denken.

Er schreibt: „Wenn man ein Stück liebt, so sehr liebt, dass es einen durch verschiedene Lebensphasen begleitet, schleift sich jede spezifische Erinnerung durch häufigen Gebrauch ab. […] Man darf wohl annehmen, dass Leute, die sich von ihrem absoluten Lieblingsstück an ihre Flitterwochen auf Korsika oder an den Chihuahua der Familie erinnert fühlen, nicht wirklich etwas für Musik übrig haben.“

Wenn ich Hornby richtig verstehe, darf ich also bei A New England nicht daran denken, dass ich die Platte (Back to Basics) in diesem kleinen Laden in Canterbury gekauft habe, saustolz war, das Album wirklich in England und nicht bei Alro in der Kortumstraße gekauft zu haben. Ich darf auch nicht daran denken, dass ich die erste Seite stundelang bei Susanne gehört habe – das war in den 1980ern -, weil das alles zu spezifisch wäre. Und wenn ich bei dem Stück dann auch noch an das Billy Bragg-Konzert im Mai in Altona denke – ganz zu schweigen von den vielen Situationen, die ich in den Jahren zwischen damals und heute damit verbinde – dann passt das gar nicht mehr in Hornbys Welt.

Ich habe zu vielen Songs, die ich liebe, sehr spezifische Erinnerungen. Genauer: Sehr viele spezifische Erinnerungen, eben weil ich das Stück liebe und oft höre. Für mich ist es nicht nachvollziehbar, wie man ein Stück häufig hören und gleichzeitig vermeiden kann, dass es Erinnerungen hochspült.

Man darf wohl annehmen, dass Leute, die sich von ihrem absoluten Lieblingsstück an absolut gar nichts erinnert fühlen, ihre Musik von ihrem Leben getrennt haben. Andernfalls muss das Lieblingsstück bei einer ganzen Reihe wichtiger Ereignisse dabei sein. Nebenbei bemerkt denke ich, wenn die Flitterwochen auf Korsika zu einer Marginalie in Hornbys Leben gehören, sollte seine Frau das Buch nicht lesen.

Nichtsdestotrotz freue ich mich auf die Lektüre des Buches, gehe aber mit einer – vielleicht gar nicht so schlechten – Distanz daran. Sollte ich Hornby einmal treffen (was sowieso nie passieren wird), freue ich mich auf ein kontroverses Gespräch. Das ist eh viel besser als mit jemanden zu reden, der exakt die gleichen Meinungen vertritt .

This entry was posted on Montag, August 20th, 2012 at 16:08 and is filed under Buch. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. Both comments and pings are currently closed.

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